ars-et-saliva


david p. eiser
 

zeitraffer




Xi, der dritte mann?
 
(ein leserbrief an Gabor Steingart, am 7. März 2022, kommentar zum morning-briefing)

zum glück musste der dritte mann „dran glauben“ (um weiteres unheil für seine
mitmenschen zu verhindern). das sollte mit Xi besser nicht passieren. er wird
noch gebraucht.

jede negative entwicklung kann für eine gewisse zeit ertragen und getragen
werden oder auch erwünscht sein. aber irgendwann kommt unweigerlich der
punkt, an dem sich das gewinn-verlust-verhältnis umkehrt. dann ist es geboten,
alle bedingungen ins blickfeld zu nehmen, um zu der entscheidung zu kommen,
ob der rückzug anzutreten ist oder ob man richtung untergang weiter ins verder-
ben laufen will. dieser augenblick ist meines erachtens für die Ukraine gekommen.

angesichts des bisherigen kriegsverlaufes, unter berücksichtigung von Putins ver-
halten auf der diplomatischen ebene und der militärischen übermacht Russlands
(trotz des verstolperten beginns und mancher anderer gravierender fehler) ist mit
kontinuierlich steigender brutalität von seiten Russlands zu rechnen. vor allem
aber mit seinem siegeswillen.

das heisst, es werden zunehmend zivile ziele angepeilt, um damit eine grossflächige
zerstörung der infrastruktur anzurichten, der nicht nur krankenhäuser, wohnungen
und strassen zum opfer fallen werden sondern auch zahllose kulturgüter. von der
vernichtung unbezahlbarer vermögenswerte ganz zu schweigen. zudem ist mit
einer vervielfachung von todesfällen zu rechnen, ebenso von verletzten.

zerstört wird auch die soziale infrastruktur, nicht nur bedingt durch tote und verletzte
sondern insbesondere durch die millionen zu erwartender flüchtlinge, die wirklich 
a l l e s  hinter sich lassen mussten.

dies ist natürlich in Putins interesse; denn je weniger lebenswerter lebensraum
übrig bleibt, desto leichter lässt sich der landstrich überwachen und beherrschen;
denn er soll ja vorrangig nur als schussfeld dienen, um dem hereindrohenden
feind aus dem „Westen“ verlustarm das eindringen zu erschweren. Putin braucht
die Ukraine nicht, um Russland zu bereichern.

Xi wird gebraucht, um als vermittler zwischen dem Westen und Putin zu fungieren.
in Peking sitzt der mann, der Putin wirtschaftlich unterstützt und bei der beschaf-
fung von gütern, die vom Westen unter die sanktionsregeln gefallen sind, hilfreich
zur seite steht. ohne diese ökonomische und politische hilfe wäre Putin heute
nicht da, wo er ist und sicher noch eine ganze weile bleiben wird, um seine ziele
in der Ukraine zu erreichen.

der Ukraine bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als abzuwägen, ob es lohnt,
den täglichen einsatz von chancenloser gegenwehr für ein solchermassen rui-
niertes land aufzubringen. es wird – betrachtet man die zukunft – sinnvoller sein,
auf der basis nicht zerstörter oder nur teilweise gestörter infrastruktur bürgerli-
chen widerstand zu leisten und darauf zu hoffen, dass das russische system kol-
labiert, als auf trümmerhaufen stehend sich zuzurufen, dass man sich wenigstens
tapfer gewehrt habe.

das alles mag in den ohren der heldenmütigen vaterlandsverteidiger defätistisch
klingen. aber es gibt eben auch distanzierte wahrnehmungen, und manchmal
können auch hinweise auf historische  ereignisse zeigen, dass es weniger schreck-
liche alternativen geben kann (siehe z.b. Josef von Gadolla,  „der retter von Gotha“).

irgendwann taucht sie auf, die frage: „hätten wir nicht…?“, irgendwann…


 

mehr
 

© dpe
070322