ars-et-saliva


david p. eiser

zeitraffer  



frieden?... welche sorte?


wenn wir im Westen von frieden reden, dann meinen wir frieden-
in-freiheit.
das ist etwas ganz anderes als das, was Putin unter
frieden versteht. für ihn
ist frieden lediglich die abwesenheit von krieg.

frieden-in-freiheit sind zwei dinge, die für uns - aber nicht für Putin -
ein untrennbares paar bedeuten.
wenn es also dazu kommen sollte,
in sachen Ukraine über frieden zu reden, dann darf man diese kom-
bination nicht aus den augen verlieren. Putin ist möglicherweise an
einem frieden interessiert, aber nicht an der - für uns und die Ukrai-
ne  - dazugehörigen freiheit. deshalb sind alle derzeitigen bemühun-
gen um eine beendigung des krieges zum scheitern verurteilt; denn
Putins ziel besteht darin, die Ukraine so gründlich zu unterwerfen,
dass sie ihm als schussfeld, als leicht zu beherrschende grosse puf-
ferzone gegen Westeuropa dienen kann. das liesse Putin zu frieden
sein
.
(sic!)

die bekannten argumente, die Putin in diesem zusammenhang in die
welt posaunt, sind kriegspropagandistisches begleitgeräusch, also
ein teilaspekt des eingesetzten waffenspektrums und können deshalb
nicht mit rationalen gegenargumenten beantwortet werden. als teil des
russischen waffenarsenals muss ihnen adäquat militärisch begegnet
werden, weil es - zur zeit - keinen argumentativen zugang zu Putins
persönlichen ansichten und anliegen gibt.


Putin zum friedensgespräch zu bitten, wird nicht funktionieren, solan-
ge er das sagen hat. im gegenteil, er wird es sein, der zum tanz auf-
fordert und alles mobilisiert, was ihm an kräften zur verfügung steht.
 
das zwingt den Westen in eine ungeliebte proaktive militärische reak-
tion. proaktiv heisst in diesem fall: nicht mehr hinterherlaufen, weil
die bisherigen antworten erfolglos blieben, sondern eine militärische
herausforderung schaffen, die Putin signalisiert, dass er gesprächs-
bereit sein muss, wenn er noch etwas von seiner aggressiven repu-
tation retten will. das bedeutet, auf dem boden der Ukraine offensiv
gegen den aggressor vorzugehen, indem zügig wirkungsvolle offen-
sivwaffen geliefert werden, dazu ausreichend munition und instand-
setzung und natürlich entsprechendes - zeitraubendes – training.

wenn wir mit der Ukraine weiterhin dauernd hinter den aktionen des
Kreml herhinken, werden wir schwerlich einen punkt erreichen, an
dem Putin gesprächsbereit wird.


frieden-ohne-freiheit ist das, was Putin will. und wir müssen entschei-
den, ob wir damit leben wollen.

die Ukrainer wollen dies nicht. das ist ihr gutes recht. aber Putin hat
angst vor der freiheit. er fürchtet sie wie der teufel das weihwasser.
deshalb lässt er töten und zerstören, bis es keinen widerstand mehr
gibt. und nach dem, was er sich in den letzten 20 jahren geleistet hat,
müssen wir damit rechnen, dass er weiter morden und plündern wird,
wenn wir ihn nicht gemeinsam zurückjagen und ihn auf sein land
beschränken. es wäre geradezu naiv, zu erwarten, dass er sich ge-
genüber Moldau/Transnistrien, Slowakien, Polen und den baltischen
staaten anders verhält als in der Ukraine.


alle nichtmilitärischen antworten auf sein verhalten haben ihn bisher
nicht beeindruckt, und es ist im augenblick - nach einem jahr krieg -
auch nicht zu erkennen, dass sich dies in absehbarer zeit ändern
wird. er als despotischer herrscher und seine mitläufer haben keine
negativen auswirkungen zu ertragen.
das volk zahlt letztlich die zeche, das machtlose, unterdrückte volk,
das seit jahrhunderten die knute gewöhnt ist, die armut, die rohe
herrschende gewalt und noch nie ernsthaft danach gefragt wurde,
ob es frei sein wollte.

einen despoten zu friedensgesprächen zu bitten, ist noch nie gelun-
gen. roher gewalt kann man nicht erfolgreich mit demokratischen
mitteln begegnen.


der preis, den wir zahlen werden, um zu einem ende dieses krieges
zu kommen, bemisst sich jetzt schon nach hunderten milliarden Eu-
ro/Dollar und wird, wenn es nicht bald zu einem ende kommt, die bil-
lionengrenze leicht überschreiten. weitere tausende von soldaten
und zivilisten werden ihr leben dafür lassen müssen oder ihre ge-
sundheit und unversehrtheit. und tausende von quadratkilometern
erdboden werden verwüstet, vergiftet, unbrauchbar sein, um in na-
her zukunft bewohnbar oder bearbeitbar zu werden.


das ist der preis für unser frieden-
und-freiheit-paket.

oder wollen wir so leben wie die russen?




© dpe 190223


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