ars-et-saliva
David p. Eiser
Die geschichte aus der Südsee
Es war einmal ein englischer lord, ein witwer, und schon einige jahre im ruhestand.
Er gehörte zwar einer verarmten adelslinie an, hatte nie hunger leiden müssen, träumte
jedoch immer noch davon, einmal eine seereise rund um die welt machen zu können.
Das schicksal eilte ihm zu hilfe und sandte eines tages einen postboten mit einem dicken
brief zu ihm, von einem renommierten rechtsanwaltsbüro in London.
Es handelte sich um eine märchenhafte mitteilung vom tode eines onkels aus der wohl-
habenden linie seiner familie. Dieser onkel habe ihm mangels direkter nachkommen sein
ganzes vermögen vermacht, immobilien und finanzielle mittel in millionenhöhe...
Der lord jubelte, angemessen zurückhaltend, und begann, erneut von seinem jugend-
traum zu schwärmen. Nach übergabe des erbes und kenntnisnahme des umfangs seiner
ihm nun zur verfügung stehenden mittel beschloss er, eine weltumsegelung zu machen
und dabei als stolzer Brite alle länder des British Commonwealth of Nations zu besuchen.
Also beauftragte er eine Werft, ihm ein hochseetüchtiges segelboot zu bauen.
Da es fast ein jahr dauerte, bis es fertig war, hatte er genügend zeit, sich einen erfahrenen
skipper zu suchen, ihm den auftrag zu geben, eine mannschaft zusammenzustellen, das
schiff auszurüsten und dann mit ihm loszusegeln.
Sie segelten über Schottland nach Irland, nach Kanada, dann zu den „britischen“ inseln
in der Karibik und schliesslich durch den Panamakanal in die unendlichen weiten des
pazifischen ozeans, richtung Australien.
In der Südsee ereilte sie das schicksal in form eines ungeheuren sturmes, eines taifuns
der grossklasse, und zwar in der nähe eines ihnen unbekannten atolls. Sturm und wellen
waren so gewaltig angeschwollen, dass irgendwann das ruder abbrach und dabei den
steuermann auf nimmerwiedersehen ins meer schleuderte. Gleichzeitig schmetterte ein
anrollender kaventsmann das schiff gegen das korallenriff, wobei sein bug abbrach und
ein grossteil der mannschaft über bord und unter ging.
Das boot wurde zurückgezogen in die wogende see, aber kurz darauf erneut gegen das
riff geworfen, wobei dann auch das heck abbrach und der rest der mannschaft bis auf
den moses verschütt ging; denn dieser hatte sich selbst voller angst am mast fest-
gebunden.
Als diese furchtbare woge wieder zurückrollte glaubte er, nicht mehr lebend davon zu
kommen und fing an zu beten. Das half; denn erneut wurde das wrackstück von der
tobenden see und dem unbarmherzigen sturm gegen das eiland getrieben und wie
von geisterhand auf einem wellenkamm über das riff in die relativ ruhigen wasser der
lagune geschleudert, wobei dann auch noch der mast abbrach.
Der kleine matrose dankte dem Herrn, löste seine fesseln und schaute sich um. Der
strand war nicht weit, und er beschloss, hinüber zu schwimmen. Doch nach ein paar
schwimmzügen entschied er sich, umzukehren, um sich einen grossen lappen des zer-
fetzten segeltuchs zu holen, das noch am mast hing; denn er fürchtete, es könnte am
strand im wind zu kalt werden.
Als er schliesslich am strand angelangt war, zog er sein messer aus dem gürtel und
schnitt sich aus dem segelstoff:
ein T-shirt
© dpe
071224
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